Gaby Terhuven: Öl auf Glas (Ausschnitt), 9-teilig, 2005, 39 x 575 x 3 cmGaby Terhuven






Gaby Terhuven - Stillstand, Bewegung
Choices Künstlerportrait, Oktober 2003


Zeit, überhaupt um Zeit gehe es in ihren Arbeiten, sagt Gaby Terhuven: das Vergehen von Zeit, welche sukzessive wahrgenommen, erfahren wird. Rhythmus, ein wiederholtes Einsetzen und Innehalten sind Momente, die hier vorkommen und thematisiert werden. Dabei entwickeln sich ihre Arbeiten linear - meist horizontal von links nach rechts - und gleichzeitig spielen sie sich, tatsächlich mehrere Ebenen umfassend, in die Tiefe hin ab. Andererseits spiegelt sich der Außenraum auf und in den Oberflächen.
Gemeinhin werden Gaby Terhuvens Werke der konkreten Kunst zugeordnet; sie rekurrieren auf einem horizontalen-vertikalen Raster mit vorher festgelegten Prinzipien. Sie sind gegenstandsfrei und bestehen aus gleichen Modulen, die mit regelmäßigem Abstand neben oder/und übereinander hängen. Sie agieren mit Wiederholungen und einer seriellen Struktur bei minimalen Verschiebungen ... Zwei Glasscheiben sitzen mit etwas Abstand zueinander und zur Wand bündig übereinander. In Streifen oder Linien ist Ölfarbe sorgfältig auf und hinter die Glasflächen gestrichen, so dass matte und spiegelnde Flächen entstehen. Die Maßnahmen bleiben sich innerhalb der Arbeit gleich, die Linien haben den gleichen Farbton und die gleiche Länge. Sie tauchen auf den verschiedenen Ebenen auf und scheinen in dem grüntonigen, von milchiger Transparenz gebrochenen Vakuum zu schwimmen, überhaupt selbst in Bewegung. Jedoch handelt es sich hier um bildhafte Darstellungen, generell um Malerei.
Gaby Terhuven wurde 1960 in Oberhausen geboren, an der Fachhochschule in Köln hat sie Malerei studiert. Schon in ihren Gemälden auf Leinwand oder Papier arbeitet sie mit gegenstandsfreien Formulierungen. In lockerem Duktus sind Linien und Bahnen gezogen, überlagern und gliedern teils als Rapport analoger Abläufe kleinere Felder. Flächen werden geschichtet, wobei rahmenartige Strukturen das Bild organisieren. So sind Farbabläufe um die Ausschnitte aus Röntgenaufnahmen gesetzt. Innen - Außen, Einblick und Durchblick, Teilung in Sequenzen also schon hier, 1993/94, wenngleich sich das Geschehen - oft in pastellener Tonigkeit - noch auf der Fläche abspielt ...
Natürlich sind das alles Bilder von heute, zeitgenössisch in ihrem Vokabular und den Assoziationen, die sie auslösen. Die Arbeiten mit dem Träger Glas, wie sie seit Mitte der neunziger Jahre entstehen, lassen an digitale Bilder, binäre Systeme denken, vielleicht kardiographische Ströme, in ihrer Anmutung ebenso an Leuchtschriften, gewiss auch an Strichcodes. Gaby Terhuven selbst weist auf Neue Musik, deren Serialität und Stille, die Rolle von Pausen und das An- und Abschwellen von Tönen. Das Blattwerk vor dem Atelierfenster spiegelt sich in den Arbeiten. Natürlich, an Architekturen kommen einem in den Sinn, die Rasterstrukturen in Glasfassaden - je mehr man sich auf diese Arbeiten einlässt, desto komplexer wird das Geschehen und bleibt doch auf sich konzentriert.
Denkbar wäre eine Arbeit aus vielen Modulen, die eine Wandseite komplett einnehmen, oder eine Arbeit, die als Fries über alle Wände eines Raumes läuft. "Die Gliederung der Bildfläche und das Ineinandergreifen von Innen und Außen im realen Bildraum finden ihre Entsprechung in der gleichzeitig ablaufenden Bewegung", hat Gaby Terhuven vor einiger Zeit geschrieben. "Es entsteht ein Zusammenspiel von Raum und Bewegung in Bild": Der Betrachter wird Teil der Arbeit, zwischen meditativem Innehalten und einem aktiven Analysieren.

Thomas Hirsch, Text

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